Ein goldenes Händchen

Schon als Kind wusste sie, was sie werden wollte. Und wurde es auch. Seit 30 Jahren kreiert Goldschmiedin KARIN SCHAUFELBÜHL mit Feuer und Flamme wertvolle Unikate.

Was für ein Glück, wenn ein junges Mädchen bereits mit 13 Jahren weiss, was es einmal werden will. Diesen Wunsch mit unbeirrbarer Beharrlichkeit verfolgt, allen Widrigkeiten trotzt und sich auch 35 Jahre danach Freude und Leidenschaft für diesen Beruf bewahrt hat. Seit 21 Jahren führt Karin Schaufelbühl in Bremgarten AG ihr eigenes Goldschmiede-Atelier. Es ist Werkstatt und Laden in einem.

Als Kind habe sie Schmuck aus Silberdraht gebastelt und ihn an Klassenkameradinnen verkauft, erzählt die 48-jährige Goldschmiedin. Offenbar zeigte sie neben Geschäftssinn solches Geschick, dass ihr Vater vorschlug, doch mal bei einem Goldschmied zu schnuppern. «Ich ging hin und wusste sofort: Das will ich werden. Die Kombination von Kreativität und feiner Handarbeit und dann diese edlen Materialien, das alles gefiel mir sehr.» Die Suche nach einer Lehrstelle war allerdings mühsam. «Immer wieder bekam ich zu hören, dass man keine Mädchen ausbilden wolle, weil die ja eh heiraten würden», sagt Karin Schaufelbühl. Doch die junge Frau gab nicht auf. Schliesslich klappte es, und sie durfte ihre Goldschmiedelehre machen. Danach arbeitete sie ein paar Jahre in einem Juweliergeschäft, ging auf Reisen. Dann kam die Gelegenheit, einen Raum zu mieten. Sie ergriff die Chance und machte sich bereits im Alter von 27 Jahren selbständig.

Die Krone auf der Stange vor dem Atelier in Bremgarten funkelt im Sonnenlicht. Sie dient als Ladenschild und ist eines der Lieblingsmotive von Karin Schaufelbühl. Ihr Geschäft liegt nahe den alten Stadtmauern im Zentrum der Stadt. Ein Fahrrad rumpelt über das Kopfsteinpflaster. Dem Atelier gegenüber trotzt ein Garten dem Winter mit letztem Grün.

Von Hand ziselieren

Drinnen drängen sich die Dinge. Zangen und Feilen, Schleifrädchen, Polierschwämme und Pinzetten sind der Grösse nach aufgereiht. Zwei Pulte stehen am Fenster. Werkbretter nennen die Goldschmiede diese auf Brusthöhe angelegten Arbeitsplatten aus hartem Holz. Karin Schaufelbühl sitzt an einem, vor sich eine eiserne Halbkugel auf einem Lederring, die Ziselierkugel. Darin ist im Treibkitt ein Stück Metall fixiert.«Eine zukünftige Brosche» Brosche», erklärt sie. Sie hält einen Metallstift, die Punze, und einen kleinen Hammer in den Händen. Der Stiel des Hammers ist dünn und läuft am Ende zu einem Tropfen aus. Wie ein Trommelschlegel schnellt und federt der Hammer immer wieder hin und zurück und treibt die Punze ins Goldblättchen. So entsteht beidseitig ein Relief. Diesen Vorgang nennt man ziselieren.

Viele Werkzeuge in ihrem Atelier sind einiges älter als die Künstlerin selbst. Sie hat sie von ehemaligen Berufskollegen oder auf dem Flohmarkt erworben. «Ich finde es schön, dass man früher sogar bei Gebrauchsgegenständen auf die Verarbeitung und die Ästhetik geachtet hat statt wie heute nur auf den Preis», sagt sie und fährt mit dem Finger liebevoll die Konturen des Hammerstiels nach. Während die Werkzeuge kaum Platz finden im engen Atelier, haben die Schmuckstücke viel Raum. Ausgebreitet liegen sie auf Eisenplatten, thronen in Glaskästen oder schmücken die Skulpturen der Aargauer Künstlerin Alena Synkova, die zurzeit im Laden ausstellt. Armbänder, Ringe, Ohrschmuck und Ketten aus Rot-, Weiss-, Gelbgold, aus Silber oder Platin, mit Perlen, Edelsteinen, Glas oder Emaille bestückt. Manche sehen aus wie Blätter im Wind, manche erinnern an Himmelsgestirne, gleichen Schneckenhäusern oder Blumen, sind Motive aus Märchen, wie die Krönchen, die an ihren Ohrringen glänzen. «Als Goldschmiedin steht mir eine unendliche Vielfalt an Motiven und Materialien zur Verfügung», sagt Karin Schaufelbühl. Am liebsten aber arbeite sie mit Gelbgold, einer Legierung aus Feingold, Silber und Kupfer. «Ich mag die Wärme, die es ausstrahlt. Es gefällt mir, wie das Material das Licht einfängt», sagt sie und hält die ziselierte Brosche vors Fenster. In den Rillen spielt die Sonne mit dem Schatten und verwandelt die Brosche in eine Muschel, die von den Meereswellen umspült wird. Behutsam bettet die Goldschmiedin das Kleinod auf ein Samtkissen.

Gold und Platin zählen zu den kostbarsten Edelmetallen der Welt. Gold ist von Natur aus eher weich, lässt sich gut schmieden, walzen und zu sehr dünnem Draht ziehen. Als Zwischenschritt muss es über der Flamme immer wieder kirschrot geglüht werden, damit es erneut weich genug zum Weiterbearbeiten ist. Auch die Gusstechnik bedient sich der Kraft des Feuers.

Jedes Stück, das Karin Schaufelbühl anfertigt, ist ein Einzelstück und im Gespräch mit den Kunden entstanden. Neben Wissen und Fertigkeit, die man lernen könne, müsse eine Goldschmiedin auch ein «Gspüri» für die Wünsche und Vorstellungen der Kunden haben, die ihre Gefühle in ein Schmuckstück fassen möchten, sagt Karin Schaufelbühl. Nach der Besprechung mit den Kunden fertigt sie eine Zeichnung vom gewünschten Schmuck an. Gefällt ihnen diese, schnitzt sie aus Wachs ein Model für den Guss.

Der Goldstaub ist überall

Ist das Schmuckstück gegossen, beginnt die Feinarbeit. Die Goldschmiedin nimmt einen Ring und legt ihn auf den Feilnagel, einen Keil, der am Tisch befestigt ist und ihr als Unterlage dient. Tausende Feilstriche haben dem Hartholz zugesetzt und Furchen und Scharten eingeritzt. Mehr als die Hälfte seiner ursprünglichen Grösse hat der Holzkeil im Laufe der Jahre eingebüsst. «Vermutlich wird er es nicht bis zu meiner Pensionierung machen», sagt Karin Schaufelbühl. Während sie konzentriert mit sicheren Strichen über den Ring schleift, lösen sich Goldstäubchen und segeln auf die Arbeitsplatte oder ins Leder, das wie eine Schürze vorne am Werkbrett hängt und über ihren Knien endet. Die Materialien, mit denen eine Goldschmiedin arbeitet, sind so kostbar, dass nichts verloren gehen darf. Am Abend, nach getaner Arbeit, wird sie den Staub sorgsam mit einem Pinsel in ein Glas wischen. Darin hat sich bereits etwas Bodensatz gebildet. «Meine Altersvorsorge», scherzt sie. Manche Berufskollegen hätten sogar Filter an ihren Lavabos, um das Gold, das sich auf Gesicht, Arme und Hände gesetzt hat, aufzufangen. Sie habe nur den Pinsel. Der Goldstaub sei vermutlich schon überall. Auf der Haut, im Haar, im Atelier und zu Hause, sagt sie und befreit ihren Kronenohrhänger von einer Haarsträhne. Mit dem Schmuck und den goldblonden Haaren sieht sie aus wie die Goldmarie im Märchen. Jenes Mädchen, das als Belohnung für seinen Fleiss mit Gold beregnet wurde.

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Karin Schaufelbühl
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